Upcycling Weihnachtsbaum

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie schön sind deine Blätter…


Jeder kennt den Evergreen unter den Weihnachtsliedern und jeder hat ihn am Heilig Abend im Wohnzimmer stehen. In den Texten hoch gelobt, wird der vormals so geschätzte Weihnachtsbaum nach nur ein paar Fest-Tagen lieblos als Müll entsorgt. Nie durfte dieser Baum ein hohes Alter erreichen und seine Lebenszeit in unseren Vier-Wänden ist nur von kurzer Dauer. Aber ich möchte hier gar keinen Artikel schreiben, indem ich mit der uralten Tradition des Weihnachtsbaums breche. Um dann darüber zu urteilen, wer auf einen Baum verzichten kann und wer nicht. Natürlich stimmt es nachdenklich, wenn einem zu Ohren kommt, dass allein in Deutschland jeden Dezember 30 Millionen Tannen gefällt werden. Manch einer spricht gar von einem Schlachtfest. Wenn wir da noch den Pestizid-Nebel beachten, in den konventionell gezüchtete Bäume eingehüllt sind und diesen ungehindert in unseren Eigenheimen ausdünsten, könnte bei manch einem der Kragen platzen. Aber statt über diese traurigen Fakten zu schimpfen, möchte ich mich lieber auf die Suche machen und mich gleichzeitig outen. Auch ich mag den Weihnachtsbaum, seine Magie, wenn er sein festliches Kleid trägt und den dunklen Raum mit seinem Lichterglanz erhellt. Die Geschenke, die zuverlässig unter ihm zu finden sind und Kinderaugen zum Leuchten bringen. Das Stück Natur und die Freude, die er in unsere Herzen trägt. Ja, ich danke dir lieber Weihnachtsbaum.

 

Auch ich bin ein Fan von dir! Umso mehr freue ich mich über jede kreative Idee und jede Alternative zum frisch gefällten Tannenbaum. Es zeigt Respekt gegenüber unserer Umwelt und den uns häufig ausgelieferten Pflanzenwesen. Denn auch sie haben einen Platz auf unserer schönen Erde und wir sollten mit ihnen nicht willkürlich und unachtsam umgehen. Doch gibt es auch Menschen die mit viel Liebe und Kreativität einen anderen ‚Weihnachtsbaum‘ erschaffen. Ohne das der Hauptstamm der Tanne darunter arg leiden muss oder ganz gekappt wird. Eine Freundin von mir nimmt jedes Jahr nur ein paar Zweige, von jedem Baum nur ein oder zwei. Zuhause hat sie ein einfaches Holzgestell, in das Löcher hineingebohrt sind, genau passend um die Nadeläste dort drin zu fixieren. Diese können dann genauso mit Kugeln und Lichterketten behangen werden. Es muss auf Nichts verzichtet werden, noch nicht einmal auf den typischen Tannengeruch und der eigentliche Baum darf weiterleben! Vielleicht ist diese Weihnachtsbaumvariante für manch einen aber nicht ganz so authentisch wie ein echter. Wenn die Astlängen ungeschickt ausgesucht wurden, kann dieser nachgebaute Baum recht abenteuerlich aussehen.

Zumindest gibt es aber immer mehr Familien die sich einen Baum aus Kunststoff besorgen oder eben mit dem Gedanken spielen. Solche sehen tatsächlich sehr echt aus, können sehr praktisch auseinander geschraubt und den Rest des Jahres auf dem Dachboden aufgehoben werden. Und doch muss ich zugeben, dass ich mich zu der Sorte Mensch zähle, die schnell die Nase rümpfen, wenn sie an Plastik denken. Und bei einem Weihnachtsbaum aus Plastik will bei mir keine wirkliche Feiertagslaune aufkommen.

 

Doch dann hatte ich eine fantastische Idee! Warum nicht den Baum aus dem letzten Jahr aufheben und recyceln? Es würde unglaublich respektvoll für die Tanne sein, die zuvor nur für mich und meine Familie zum Dekostück erklärt und gefällt wurde. Ich bräuchte sie nicht nach wenigen Tagen im Müll entsorgen, sondern würde ihr einen Platz auf Lebenszeit in unserem Heim anbieten. Und ich spürte Freude in mir aufkommen. Die Recycling-Weihnachtsbaum-Idee war geboren. Es sollte immer die gleiche Tanne sein mit der wir das heilige Fest begehen. Wie ein alter Freund, der über die Feiertage zu Besuch kommt. Wahrscheinlich wird jetzt manch einer verdutzt fragen, wie das gehen soll. Schließlich ist eine verdorrte, braune Tanne, deren Nadelkleid ausfällt, so gar nicht mehr schön anzusehen. Darum bin ich in den Bastelladen und habe mich mit einer ganzen Rolle tannengrüner Merino-Filzwolle eingedeckt. Kein Plastik sollte es sein, sondern wunderbare Naturmaterialien. Ich filze bereits seit ein paar Jahren begeistert. Nicht so gut, dass ich mir den Meistertitel verleihen würde, aber hier und da ein paar kleine Dinge wie Untersetzer oder Pantoffeln. Und jetzt darf es gleich ein ganzer Baum sein? Ehrlicherweise hatte ich Respekt vor der Arbeit, aber mein Elan obsiegte. Ein Holzgestell hatte ich schließlich schon. Der alte Baum aus dem letzten Jahr hat den Sommer über im Garten verbracht. Nun saß ich optimistisch davor und versuchte die verbliebenen Nadeln auszurupfen. Zugegebenermaßen eine mühevolle Arbeit. Kaum zu glauben, dass die Nadeln nach einem Jahr noch so fest im Holz verankert sind und das überhaupt noch welche dran waren. Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, diese würden von alleine ausfallen. Als die Nadeln dann endlich entfernt waren, konnte es mit der eigentlichen Arbeit los gehen.

 

Heißes Wasser, ein gutes Stück Schafsmilch- oder Olivenseife, Filzwolle und viel Geduld waren von nun an gefragt. Die Grundidee ist geradezu simpel: Einen Flauschstreifen von der Wolle abzupfen und über den ausgesuchten Ast legen oder winden. Dann die Seife ins heiße Wasser gleiten lassen und die Hände ordentlich einseifen. Mit den seifigen Händen die Wolle leicht massieren und um den Ast reiben. Anfangs vorsichtig, dann immer kräftiger. Durch die Wärme, Feuchte und die Seife verhaken sich die Wollhaare ineinander und schrumpfen gleichzeitig zu einer Einheit zusammen. Wer sich geschickt anstellt, kann die Wolle gut an die Form des Baumes anpassen. Aber Übung macht den Meister und ihr könnt mir glauben, so ein Baum bietet viel Übungsfläche! Und natürlich ist so eine Mammutaufgabe auch nicht an einem oder zwei Tagen zu schaffen. Ich habe für den kompletten Baum 18 Tage gebraucht. Also sollte man sich die Zeit einplanen und früh genug anfangen, damit der hübsche Filzbaum auch an Heilig Abend fertig ist. Oder man plant ein Jahr im Voraus, schmeißt den ausgedienten Baum nicht weg, sondern hebt ihn für das nächste Jahr auf. Und wer keinen hat, kann einfach den lieben Nachbar fragen. Der wird bestimmt froh sein, seine Tanne auf diese Weise entsorgt zu haben.

 

Eine Alternative zur Filzwolle – wer sich nicht dieses Handwerk zutrauen mag – können auch mehrere Knäuel grüner Strickwolle sein. Mit Heißkleber oder einem Klebstoff eurer Wahl die Äste einpinseln und dann die Wolle ganz einfach um die Äste wickeln. Dabei können euch sogar die Kinder helfen, was sich bei der Filzwolle als nicht ganz so einfach herausgestellt hat. Wenn ihr noch mehr Ideen habt, wie der Tannenbaum recycelt werden könnte, schreibt sie mir gern oder schickt mir Fotos und ich stelle sie liebend gern auf die Seite.

Aber wie sieht der Filzbaum denn nun aus? Ich habe ihn dieses Jahr, das zweite Mal aufgestellt und er ist was Besonderes. Er erinnert mich an die Welt der Feen und Zwerge, hat etwas Verwunschenes an sich und ich möchte ihn nicht mehr eintauschen.

Aber seht doch einfach selbst…